Februar 2000 | Evangelische Kommentare | ||
Den Anfang im Ende finden |
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Das Weltgericht als Hoffnungbild: In Blattgold glänzt das zentrale Bild des Apokalypse-Zyklus - als Symbol für das Aufgehen der neum Welt aus dem Untergang. Foto: Ulrich T. Christenn |
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Ulrich T. Christenn Ich will ergründen, wo in diesem Text der Trost zu
finden ist, wo Luthers Apfelbäumchen ist!" Uwe Appold spricht
von der Offenbarung des Johannes. Und er spricht vom Sinn seines Bilderzyklus
"39 Bilder zur Apokalypse". Nicht das schreckliche Ende der
Welt, so der Flensburger Künstler, sondern die Hoffnung auf einen
neuen Anfang, habe ihn am letzten Buch der Bibel fasziniert. In zähem Ringen mit dem biblischen Stoff entstanden insgesamt 39 großformatige Bilder. In diesen Bildern zeigt sich immer wieder seine intensive Suche nach den positiven, tröstenden Aspekten der Apokalypse. Er wendet sich dabei an die vielen Theologen, die dieses Buch am liebsten im Giftschrank wegschließen wollten. Er will das Gegenteil erreichen - die biblischen Endzeitvorstellungen wieder ins Gespräch bringen. Unverblichene Bilder Darin wird er unterstützt vom Ratsvorsitzenden der
Evangelischen Kirche in Deutschland (EKL) Präses Manfred Kock. Für
ihn haben die biblischen Bilder vom himmlischen Jerusalem, dem letzten
Gericht, Schalen des Zorns oder den sieben Siegeln auch in der heutigen
Zeit noch immer ihre Aussagekraft. Kock ist gemeinsam mit Kardinal Meisner
aus Köln Schirmherr einer Wanderausstellung, in der die Apokalypsebilder
von Appold drei Jahre lang durch die Republik ziehen. Das Konzept der
Ausstellung ist ungewöhnlich. Kunst und Kirche, Künstler und
Gemeinden sol1en in einen Dialog miteinander treten. Seinen Anfang nahm das Projekt am Reformationstag in zehn
Kirchen des Oberbergischen Kreises. Bis Mitte Dezember waren dort die
Werke zu sehen. Für die mit Kunstereignissen nicht gerade verwöhnte
Region zwischen Gummersbach und Waldbröl war dies eine viel beachtete
Veranstaltung. Dieses Konzept der Ausstel1ung ging auf. Die Organisatoren waren von der großen Resonanz überrascht. Viele Gemeinden sind von Appolds Werken begeistert. Das geht so weit, dass eine evangelische Gemeinde plant, eines der beiden größten Werke - das Weltgericht - zu kaufen und statt des Kreuzes im Altarraum aufzuhängen. Die Kunst ist vom Kirchenvolk angenommen worden, der erste Schritt, den die Organisatoren im Dialog zwischen Kirche und Kunst gehen wollten, war erfolgreich. Appold war selbst auch immer wieder vor Ort. Er möchte mit den Besuchern der Ausstellung ins Gespräch kommen, weil er den Dialog mit der Gesellschaft brauche. Deshalb geht er mit seinen Werken an die Öffentlichkeit, stellt sie in Werkhallen, Schalterhallen von Banken oder - wie beim Stuttgarter Kirchentag - zwischen Nobelkarossen in einem Autohaus aus. Für ihn ist es aber etwas Besonderes, in Kirchenräumen seine Werke zu präsentieren. Solche Gebäude haben für ihn eine eigene Dynamik, weil sie sowohl Orte der Stille und Einkehr seien, als auch Raum für lebendige Begegnung böten. Seine Bilder passen sich dieser Dynamik an. Sie regen zum munteren Gedankenaustausch an oder können meditativ wahrgenommen werden. Der Start der Ausstellung im Oberbergischen war für ihn ein überwältigendes Erlebnis. Die vielen Reaktionen der Besucher auf seine Werke haben ihn sehr bewegt. Er hat es geschafft, dass zeitgenössische Kunst und abstrakte biblische Themen zum Gesprächsstoff der Menschen wurden. Uwe Appold als Moderator im Dialog zwischen Kunst und Kirche - eine Funktion die er gerne einnimmt. "Diese Ausstellung ist sicher ein Höhepunkt meines künstlerischen Schaffens." Uwe Appold hat zahlreiche biographische Züge in seinen
Bildern verarbeitet. Bei der Beschäftigung mit der Apokalypse gelangte
er in eine schwere künstlerische Schaffenskrise. Das Buch mit den
sieben Siegeln gab ihm ein unlösbares Rätsel auf. Appold fragte
sich, wie er als Künstler würdig sein könne, diese Siegel
zu öffnen, wenn es nach Johannes doch nur das Lamm tun könne. Dieses Bild steht am Anfang einer Reihe von sieben Gemälden
über die einzelnen Siegel. Die außergewöhliche Form der
Siegelbilder - auf dem Kopf stehende Tau-Kreuze - weist schon äußerlich
auf ihre Verwandtschaft hin. Ein innerer Zusammenhang wird im Wechselspiel
von Farben und Mustern der Siegel deutlich. Ähnlich hat Appold auch drei andere Motive aus der
Apokalypse in Bilderfolgen gestaltet: die sieben Sendschreiben, die sieben
Posaunen und die sieben Zornesschalen. Ein gleiches Motiv wird siebenmal
variiert und entfaltet so seine Bedeutung. |
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Das sechste
Siegel:
Uwe Appold benutzt bei seinen Apokalypse-Bildern eine reiche Symbolsprache.
Foto: Ulrich T. Christenn |
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Schöpfen aus der Ursuppe Diese Methode der Variation ist typisch für Appold. Am auffälligsten ist darin eine eigene Formensprache - ein spezielles Vokabular, das den ganzen Zyklus durchzieht. Immer wieder tauchen kleine Symbole auf, wie eine Leiter, Zweige, Bögen, Kreise oder das A und O. Appold ist überzeugt, dass dieses Vokabular nicht seine Erfindung ist. Es entstamme der "europäischen Ursuppe", in der er sich verwurzelt weiss. Dass er darüber hinaus "seine" Zweige der Hoffnung sogar in Tempelanlagen im alten China entdeckte, habe ihn sehr nachdenklich gemacht. Appold spielt mit seiner Formensprache. Der Kreis als Symbol für Christus korrespondiert in vielen Bildern mit seinem "Halbbruder", dem Halbkreis. Dieser findet sich in der Form der Zornesschalen wieder. Aufgelöst wird diese Form in der kleinsten möglichen Rundung, dem Viertelbogen. Er steht bei Appold für das hebräische Jota, den kleinsten Buchstaben des Alphabets, und ist Symbol des unaussprechlichen Gottesnamen Jahwe. Des Weiteren findet sich auf fast allen Gemälden eine kleine Leiter. Sie ist für Appold nicht die Himmelsleiter aus dem Jakobstraum, sondern eine Aufforderung an den Betrachter, ins Bild einzusteigen und es von innen zu betrachten. Alle diese Symbole durchziehen die 39 Bilder und finden sich in einer chaotischen Melange im zentralen Werk - dem Weltgericht - wieder. Hier lässt Appold die alte Ordnung der Formen in einem Chaos aufgehen, das durchbrochen wird von der neuen, goldenen Ordnung, die sich von oben herab in die Welt senkt - eine vergoldete Stele teilt das imposante Gemälde in ein Triptichon. Im Ende der Welt findet Appold den neuen Anfang. Symbolisiert wird hier dieser Bruch der alten und neuen
Ordnung durch eine ungewöhnliche Kombination von Materialien: Blattgold
und Acrylfarbe. Appold ist nicht nur Maler, er arbeitet mit fast allen
Werkstoffen und kombiniert sie. Im Apokalypsezyklus sind das vor allem
Sand und Acrylfarbe, die beide teilweise Zentimeter dick auf die Leinwand
aufgebracht wurden. Malen im Schweinestall So zu arbeiten, erfordert ein hohes Maß an künstlerischer Fertigkeit und nicht zuletzt ein großes Atelier. Appold hat sein Refugium in einem ehemaligen Schweinestall im Museumsdorf Unewatt nahe bei Flensburg eingerichtet. Dieser ungewöhnliche Ort bietet ihm genügend Raum für seine großformatigen Werke und ist gleichzeitig Inspirationsquelle. Hier entstehen seine Gemälde, aber auch Steinskulpturen und Metallinstallationen. Uwe Appold ist ein in seiner Heimat verwurzelter Künstler. In Flensburg, Kiel und zahlreichen anderen Städten im Norden schmücken seine Kunstwerke das Straßenbild. Auch damit hat der Künstler die Öffentlichkeit gesucht, um die Kunst ins Gespräch zu bringen. Ein solcher Dialog wird wohl in den nächsten Monaten weiterhin über die 39 Bilder zur Apokalypse geführt werden. Chancen dazu gibt es genügend. Die Wanderausstellung macht Anfang des Jahres am Niederrhein in Kleve und Xanten Station. Bis 2002 werden die Bilder unter anderem noch in Hamburg, Düsseldorf, Duisburg, Flensburg, Oberhausen und zuletzt in Berlin gezeigt. |