Samstag/Sonntag, 20./21. November 1999 Kölner Stadt-Anzeiger

Diskussion zur Apokalypse

Verborgene blieb unerschlossen
Hochkarätige Experten bewegten die Frage: "Christentum am Ende der Zeit?"

AUF DEM PODIUM in der ev. Kirche wurde über die Offenbarung diskutiert. Musikbeiträge kamen von Martin Kotthaus, dem US-Saxophonisteni Crawfprd und Michael Schlechtriem am Cello. (Bilder: Neumann)

Von Christiane Schmidt -Dreier
Waldbröl- Offenbarung heißt Enthüllung des Verborgenen. In der Offenbarung des Johannes wird das zukünftige Geschehen der Weltgeschichte in teilweise bedrohliche Texte gefasst und in Bilder, die sich den meisten Menschen nicht erschließen. Welch eine großartige Idee war es da, hochkarätige Wissenschaftler und Theologen zu einem Symposium einzuladen, um der Frage nachzugehen: "Christentum am Ende der Zeit?"
Als Veranstalter hatte der Evangelische Kirchenkreis An der Agger, das Katholische Dekanat 0berberg und das Katholische Bildungswerk im Kreis den Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Manfred Kock, eingeladen, den Arzt und Psychoanalytiker Horst Eberhard Richter, den Kulturwissenschaftler und ehemaligen Kultusminister von Bayern, Hans Maier, sowie den Künstler Uwe Appold aus Flensburg, der mit seinen 39 großformatigen Bildern in mehreren Kirchen Oberbergs den Anstoß zur Diskussion über die Apokalypse gab. Moderiert wurde die Podiumsdiskussion vom Journalisten Curt Hondrich.

Am Ende des zweieinhalbstündigen Symposiums gingen doch zahlreiche Menschen eher irritiert nach Hause. Das Verborgene konnte sich ihnen nicht erschließen. Da wurden alle möglichen Autoren und Philosophen bemüht, Hans Magnus Enzensberger zitiert, Max Frisch, Freud und Nietzsche, aber keiner wagte es, die grässlichen Bilder der Bibel wortgetreu zu zitieren.
Der Maler Appold schilderte, dass ihm die fünfte Posaune als die schrecklichste von allen erschiene, weil die Menschen fünf Monate lang gequält wurden und ihnert die des Todes verwehrt würde. Da musste das Publikum schon bibelfest sein, um genau zu wissen, was gemeint war. Der Maler bekannte, dass ihm die Textstelle Angst eingejagt habe, und mit den Händen habe er auf seinen Bildern den Zorn abgearbeitet bis er es geschafft habe, die Angst zu überwinden. Keine Angst zu haben, so war Horst Eberhard Richters gegensätzliche Meinung, sei aber eine ernste Gefahr. Angst trage das Gewissen. Richter: " Wenn wir uns frevelhaft verhalten, muss uns das erschrecken."

Natürlich mache uns das Buch der Offenbarung Schwierigkeiten, befand Maier. Denn darin trete Gott als Richter und Allherrscher auf. Für den Menschen des
20. Jahrhunderts sei aber der Gott der Liebe näherliegend. Sehr mutig hielt Maier diesem Gottverständnis entgegen: "Ein Gott, der nur Liebe wäre, könnte in die Lage kommen, kein gerechter Gott zu sein." Denn es sträube sich doch auch etwas in uns, mit allen Bösewichtern auf einer Ebene zu sein. Deshalb dürfe der Gedanke der Gerechtigkeit nicht preisgegeben werden. Der Christ komme um eine Entscheidung nicht herum - entweder sich zu verändern oder aus der Bahn gerissen zu werden. Maier: "Christentum verlangt Umkehr." Richter sieht in der Johannes-Apokalypse eine dringende, tiefernste Mahnung. Zur Zeit der Hure Babylon, womit Rom gemeint sei, seien die Sünden bis zum Himmel aufgestiegen. Heutzutage habe man sich dem Fortschritt anvertraut, der darauf hinzielt, den Menschen leidfrei zu machen und die Sünden, die zum Himmel aufstiegen, bestünden in Hurerei und Korruption.

Richter malte Zukunftsvisionen von genmanipulierten Menschen an die Wand und von Müttern, die sich wegen Austragen eines behinderten Kindes vor Gericht wegen vorsätzlicher Körperverletzung verantworten müssten. Präses Kock, der an diesemAbend eher zurückhaltend wirkte, wies auf den Trost hin, den die Offenbarung dennoch gebe. Trotz vergifteter Gewässer werde ein neuer Himmel geweissagt. Kock ermunterte, die Menschen, ihren christlichen Mund aufzumachen. "Wir könnten mutiger sein, das 7. Siegel ist noch nicht aufgebrochen"

PRÄSES Manfred Kock, Ratsvorsitzender der evangelischen Kirche ARZT und Psychoanalytiker Horst Eberhard Richter. DER KÜNSTLER Uwe Appoldaus Flensburg entfachte Diskussionen. HANS MAlER, Ex-Kultusminister von Bayern.